Der Index Librorum Prohibitorum und die verbotenen Bücher

LIB.18.043 Index Librorum Prohibitorum / Index der verbotenen Bücher (Rom, 1764) / © Sammlung PRISARD
LIB.18.043 Index Librorum Prohibitorum / Index der verbotenen Bücher (Rom, 1764) / © Sammlung PRISARD

Historischer Kontext

(dr.) Nachdem im Urteil des Konzils von Trient (1545-1563) »die Anzahl der verdächtigen und verderblichen Bücher … übergroß geworden ist«, beschließen die Konzilsväter ein Verzeichnis verbotener Bücher ins Leben zu rufen. Der so im Zuge der Gegenreformation entstandene Index Librorum Prohibitorum (Erstausgabe 1559) erfährt in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche Neuauflagen und Erweiterungen. Er wird erst 1966 aufgrund einer Anordnung vom Vorjahr für aufgehoben erklärt.

Frankfurter Allgemeine, 16.06.1966

LIB.20.032 Frankfurter Allgemeine vom 16. Juni 1966, Seite 3: Aufhebung des Index Librorum Prohibitorum / © Frankfurter Allgemeine Zeitung (Sammlung PRISARD)
LIB.20.032 Frankfurter Allgemeine vom 16. Juni 1966, Seite 3: Aufhebung des Index Librorum Prohibitorum / © Frankfurter Allgemeine Zeitung (Sammlung PRISARD)

Das Dreiklassensystem

Vor allem frühere Indexausgaben unterscheiden alphabetisch geordnet drei Klassen indexierter Autoren und Werke:

 

1. Komplettverbote – AUCTORES PRIMÆ CLASSIS (»Autoren erster Klasse«)

Namentliche Auflistung von Autoren, die als häretisch eingestuft werden und von denen ausnahmslos alle Bücher und Schriften als verboten gelten (sog. opera omnia-Verbote). Die den Indexausgaben stets vorangestellten Trienter Indexregeln (1562) besagen ausdrücklich, dass »alle Bücher von Häresiarchen« wie Luther, Zwingli, Calvin u.a., die als »Erfinder von Ketzereien« und »Anführer von Ketzern« gelten, verboten sind (Regel 2). Entscheidend für das Verbot ist demnach der »Tatbestand« der Häresie, da hier eine von der offiziellen Kirchenmeinung abweichende Lehre vertreten und verbreitet wird.

LIB.18.044 Der Genfer Reformator Jean Calvin als »Autor erster Klasse« – Namenseintrag im Index Librorum Prohibitorum, hier als Anhang zu Gallemart: Sacrosanctum Concilium Tridentinum (Köln, 1738) / © Sammlung PRISARD
LIB.18.044 Der Genfer Reformator Jean Calvin als »Autor erster Klasse« – Namenseintrag im Index Librorum Prohibitorum, hier als Anhang zu Gallemart: Sacrosanctum Concilium Tridentinum (Köln, 1738) / © Sammlung PRISARD

2. Einzelschriftenverbote – CERTORUM AUCTORUM LIBRI PROHIBITI

(»Verbotene Bücher sicher feststehender Autoren«)

Auflistung von Büchern und Schriften unter Angabe des jeweiligen Autorennamens. Von genannten Verfassern sind jeweils nur einzelne Drucksachen verboten. »Das Verbot bezieht sich … auf Schrifteninhalte, nicht auf die Autoren.«

 

3. Bücherverbote ungenannter Autoren – INCERTORUM AUCTORUM LIBRI PROHIBITI

Auflistung von verbotenen Büchern und Schriften, deren Urheberschaft nicht sicher geklärt bzw. unbekannt ist, z.B. weil sie anonym oder pseudonym veröffentlicht wurden.

 

Spätere Indexausgaben listen die Autoren und Werke in der Regel nur noch rein alphabetisch und ohne die bisherige Unterscheidung der Klassen auf. Autoren, die nach herkömmlicher Taxierung als »Autoren erster Klasse« und somit als häretisch gelten, werden jedoch mit einem entsprechenden Verweis kenntlich gemacht (»I. Cl. Ind. Trid.« ).

Die Benediktinische Indexreform – Komplettverbot ganzer Schriftengruppen

Da mit der Zeit aufgrund der großen Menge an Literatur nicht mehr alle verbotenen Schriften im Index abgedruckt werden können, folgt unter Papst Benedikt XIV. (1675-1758) eine Indexreform mit ergänzenden Zensurbestimmungen. Regel 1 der »Dekrete zu verbotenen Büchern, die nicht explizit im Index aufgeführt sind« verbietet pauschal alle »Bücher, die von Häretikern verfasst oder herausgegeben wurden, oder sonstwie den Ungläubigen zuzurechnen sind.« Das Verbot umfasst insgesamt elf Schriftengruppen:

  1. Riten- und Gebetsbücher
  2. Apologetische Schriften
  3. Bibelausgaben, die von Häretikern gedruckt oder mit Anmerkungen versehen wurden
  4. Metrische Bibeln oder Teilausgaben von Bibeln (biblische Einzelbücher)
  5. Verzeichnisse und Totenkalender ihrer Märtyrer und Heiligen (»Martyrologien«)
  6. Gesangs-, Liturgie-, Geschichten- und Bilderbücher
  7. alle Lehrschriften, Katechismen und dergleichen
  8. Kontroversliteratur, dogmatische Schriften sowie Synodalakten u.a.
  9. Glaubensbekenntnisse, -artikel und dergleichen (»Bekenntnisschriften«)
  10. Unzensierte Wörterbücher, Glossare und dergleichen
  11. Sämtliche muslimischen Lehr- und Ritenbücher

Durch derartige Regelwerke, verbunden mit dem Einzelverzeichnis verbotener Autoren und Werke, unterliegt nahezu das gesamte protestantische Schrifttum dem päpstlichen Bücherverbot – und zwar durchgehend von der Einführung des Index im 16. Jahrhundert bis zu seiner Ausserkraftsetzung im 20. Jahrhundert.

Das Pariser Bücherverbot von 1685

Im Jahr 1685 veröffentlicht auch der Erzbischof von Paris mit königlicher Genehmigung einen umfangreichen Katalog verbotener protestantischer Schriften. Die Maßnahme steht in Verbindung mit der zeitgleichen Aufhebung des Edikts von Nantes und will dem reformierten Glauben in Frankreich auch den ideologischen bzw. spirituellen Nährboden entziehen.

 

Für die Protestanten Frankreichs bedeuten die verschiedenen Zensurbestimmungen, dass sie über Generationen hinweg keinen legalen Zugang zu Schriften ihres reformierten Glaubens haben und sich mit deren Besitz und Lektüre strafbar machen. Freiwillig oder durch Zwang konvertiert, gelten sie als Neubekehrte bzw. Neukatholiken und unterstehen somit nicht nur der königlichen und nationalkirchlichen, sondern in Glaubensfragen auch der päpstlichen Obrigkeit. Wo die Reformierte Kirche Frankreichs im Untergrund weiter existiert (Kirche der Wüste, 1686-1787), ist sie daher in hohem Maße auch auf heimliche Bücherimporte aus dem Ausland angewiesen.

Protestantische Autoren und Werke im Index Librorum Prohibitorum

Einzeln im Index verzeichnete protestantische Autoren, Werke und Schriftgruppen (in Auswahl):

 

ABBADIE Jacques

BASNAGIUS Jacobus […] – Et cetera ejusdem Opera , in quibus de Religione agit (»und seine übrigen Werke, die von der Religion handeln«)

BAYLE Pierre […] – Et cetera ejusdem Opera omnia (»und alle seine übrigen Werke«)

BEZA Theodorus I. Cl. App. Ind. Trid.

BUCERUS Martinus I. Cl. Ind. Trid.

BULLINGERUS Henricus I. Cl. Ind. Trid.

CALVINUS Joannes I. Cl. Ind. Trid.

CATECHESIS […] – Et ceteræ omnes Hæreticorum Catecheses (»und alle übrigen Katechismen der Häretiker«)

CLAUDE Jean […] – Et reliqua omnia ejusdem Opera (»und alle seine anderen Werke«)

DEFENSE des Libertez des Eglises Reformées de France

CONFESSIO […] – Et ceteræ omnes Hæreticorum Confessiones (»und alle übrigen Bekenntnisschriften der Häretiker«)

DISPUTATIO […] – Et ceteræ omnes Hæreticorum Disputationes de Fide (»und alle übrigen Streitschriften der Häretiker«)

DRELINCOURT Charles. Abregé des Controverses, ou Sommaire des erreurs de l´Eglise Romaine – Et cetera ejusdem Opera omnia (»und alle seine übrigen Werke«)

INSTITUTIO Religionis Christianæ

JURIEU Pierre Justification de la morale des Reformez – Et cetera ejusdem Opera omnia (»und alle seine übrigen Werke«)

LENFANT Jacques […] – Et cetera ejus Opera , in quibus de Religione tractat (»und seine übrigen Werke, worin er die Religion behandelt«)

LUTHERUS Martinus I. Cl. Ind. Trid.

MAROT Clemens I. Cl. Ind. Trid.

du MOULIN Pierre

la PLACET[T]E Joannes Observationes Historico Ecclesiasticæ – Et cetera ejus Opera de Religione tractantia (»und seine die Religion behandelnden Werke«)

RIVET André

ZUINGLIUS (Zwinglius) (Huldrychus) Toggius I. Cl. Ind. Trid.

»In ihrem Herzen nach wie vor die einstige Religion«

»Die Reformierten, die durch die Mission der Dragoner zwangsbekehrt wurden, bewahren in ihrem Herzen nach wie vor die Liebe für ihre einstige Religion, aber sie wagen sie nicht zu zeigen, aus Angst erneut verfolgt zu werden.«

Nouvelles de la République des Lettres

Weiterführende Artikel

BFHG 01/2015 – Zeitschriftenausgabe
BFHG_2015_01.pdf
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Klandestine Literatur der Wüstenkirche

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