Jean Marteilhe (1684-1777) – Galeerensträfling auf Lebenszeit

Eine misslungene Flucht
(dr). Der Hugenotte Jean Marteilhe wird 1684 im südwestfranzösischen Bergerac geboren. Als man hier im Jahre 1700 die Protestanten mit brutaler Gewalt zum Abschwören von ihrem Glauben und zur Annahme des katholischen Glaubens zwingt, versucht der erst 16-jährige Marteilhe ins Ausland zu flüchten. An der Grenze wird er jedoch verraten und 1701 wegen versuchter Landesflucht wie ein Schwerverbrecher zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurteilt: "Nachdem genannte Jean Marteilhe und [sein Gefährte] Daniel Legras von uns (…) überführt worden sind, sich zu der vermeintlichen reformierten Religion zu bekennen und sich unterstanden zu haben, aus dem Königreich zu entweichen, um ihre Religion frei zu bekennen, so verurteilen wir sie zur Strafe dafür auf Lebenszeit zu den Galeeren des Königs.“

Holzmodell einer Galeere aus dem 18. Jahrhundert / © Sammlung PRISARD
Holzmodell einer Galeere aus dem 18. Jahrhundert / © Sammlung PRISARD

Das Leben als Galeerensklave
Galeeren- bzw. Rudersklave (fr. galérien) zu sein, kommt häufig einem Todesurteil auf Raten gleich: Angekettet an massive Ketten, werden die Verurteilten oft tage- und wochenlang in Kolonnen zu den jeweiligen Häfen getrieben, wobei viele unterwegs an Hunger, Kälte, Ungeziefer, mangelnder Hygiene oder schlechter Behandlung sterben bzw. erkranken. Auf den Galeeren angekommen, kettet man die Verurteilten auf 50-60 Bänken mit je 6-7 Rudersklaven an und zwingt sie mit der Peitsche während zehn bis zwölf Stunden oder länger zur Ruderarbeit. Auch Müde und Erschöpfte werden mit der Peitsche angetrieben. Viele Galeerensklaven finden schließlich den Tod während einer der blutigen Seeschlachten, in welche die Galeeren als Kriegsschiffe mit über 300 Mann Besatzung wiederholt verwickelt sind.

Die Bastonade

Marteilhe berichtet davon, wie man protestantischen Galeerensklaven immer wieder die Freilassung verspricht, wenn sie nur zum katholischen Glauben übertreten. Auch werden sie anfänglich unter Anwendung der Bastonade gezwungen, jeweils während der Messe auf den Galeeren niederzuknien und diese in ehrerbietiger Haltung anzuhören. Die Bastonade, u.a. wegen angeblicher Lästerung des katholischen Glaubens und weiterer Vergehen erteilt, ist eine furchtbare Prügelstrafe: „Man entkleidet den Unglücklichen, der dazu verurteilt ist, vom Gürtel an bis oben, ganz nackt. Danach legt man ihn mit dem Bauch quer über den Köker der Galeere, so daß seine Beine nach seiner Bank und seine Arme nach der entgegengesetzten Bank herabhängen. Man lässt ihm die Beine durch zwei Sträflinge und die beiden Arme durch zwei andere halten. Hinter ihm steht ein Aufseher, der mit einem Tau auf einen kräftigen Türken loshaut, damit dieser aus allen Kräften mit einem starken Tau auf den Rücken des armen Delinquenten schlägt.“


Schicksal der Mitgefangenen und Freilassung
Allein auf der königlichen Galeere "La Grande Réale" befinden sich zusammen mit Jean Marteilhe über vierzig weitere protestantische Galeerensklaven. Von insgesamt etwa 1550 protestantischen Galeerensklaven stirbt fast die Hälfte im Laufe ihrer Gefangenschaft, die meisten bereits in den ersten drei Jahren. Von den Übrigen kommen manche durch Abschwören frei. Viele bleiben jedoch über Jahrzehnte hinweg in ihrem Glauben standhaft und erhalten erst nach langer Leidenszeit die Freiheit.

Jean Marteilhe wird im Sommer 1713 (durch Fürsprache der englischen Königin Anna II.) nach 12 Jahren auf den Galeeren freigelassen unter der Bedingung, Frankreich für immer zu verlassen. Er stirbt schließlich im Alter von 93 Jahren im holländischen Exil. Seine "Memoiren" (1757 in Rotterdam erschienen) sind bislang die einzigen, die von einem Galeerensklaven überliefert sind.

Ein alphabetisches Namenregister von allen bekannten protestantischen Galeerensklaven samt Kurzbiographie finden sie hier:
Les Galériens Protestants (Musée du Désert, F-Mialet)

„Gott allen Trostes, wir empfehlen dir unsere armen Brüder, die Gefangene um deines Evangeliums willen sind, an. [...] Tröste die glückseligen Bekenner, die auf den Galeeren sind: Lindere das Gewicht ihrer Ketten. Lass die, die sie befehligen, Mitleid haben und stärke diese edelmütigen Athleten, damit sie, indem sie den guten Kampf kämpfen und den Glauben bewahren, die Krone der Gerechtigkeit erlangen.“

Liturgie pour les Protestans de France

BFHG 05-06/2013 – Zeitschriftenausgabe
»Am Ruder – Jean Marteilhe«
BFHG_2013_05_06.pdf
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